Allgemeinverbindlichkeit

Das System zur Entgeltfindung ist in Deutschland in großen Teilen durch Tarifverträge gekennzeichnet. Die Freiheit von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden, in Tarifverträgen eigenes Recht zu setzen, ist verfassungsmäßig durch Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz geschützt. 

Allerdings gelten die Tarifverträge unmittelbar und zwingend nur für die jeweiligen Mitglieder der tarifschließenden Verbände. Das bedeutet, dass Arbeitgeber und auch Arbeitnehmer, die nicht Mitglied eines Arbeitgeberverbandes beziehungsweise der tarifschließenden Gewerkschaft sind, an einen Tarifvertrag auch nicht gebunden sind. In diesen Fällen obliegt die Lohnfindung im Rahmen der Privatautonomie den vertragsschließenden Parteien wie Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Staatliche Eingriffe gibt es bislang nur im Rahmen des Mindestlohngesetzes beziehungsweise der Mindestlohnverordnung für die Pflege. Allerdings gibt es die Möglichkeit, Tarifverträge auch auf Arbeitsverhältnisse auszudehnen, die nicht im eigentlichen Sinn tarifgebunden sind. Das Mittel ist die Allgemeinverbindlichkeit des § 5 Tarifvertragsgesetz. Die Arbeitsbehörde kann einen Tarifvertrag im Einvernehmen mit ihrem Tarifausschuss auf gemeinsamen Antrag der Tarifvertragsparteien für allgemeinverbindlich erklären, wenn die Allgemeinverbindlichkeitserklärung im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Dies ist dann der Fall, wenn 

1.    der Tarifvertrag in seinem Geltungsbereich für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen überwiegende Bedeutung erlangt hat oder

2.    die Absicherung der Wirksamkeit der tarifvertraglichen Normensetzung gegen die Folgen wirtschaftlicher Fehlentwicklung eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung verlangt.

Grundsätzlich ist die Allgemeinverbindlichkeitserklärung ein systemwidriger Eingriff in die Tarifautonomie und sollte daher nur der absolute Ausnahmefall bleiben. Es besteht allerdings die Gefahr, dass die Gewerkschaften aufgrund zunehmender Erosion der Tarifbindung auf dieses Instrument setzen. Dies ist jedoch der völlig falsche Weg, vielmehr muss der Tarifvertrag so attraktiv gestaltet werden, dass er sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer branchengerechte Lösungen offeriert und somit an Attraktivität gewinnt. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass zunehmend eine Minderheit über das Mittel der Allgemeinverbindlichkeitserklärung unzeitgemäße Tarifverträge einer Mehrheit aufzwingt.

Vor diesem Hintergrund setzt sich NORDHANDEL für innovative zukunftsfähige Tarifverträge ein, um die Tarifautonomie zu stärken. Der Rückgriff auf staatliche Instrumente zur Lohnfindung wird abgelehnt und die Allgemeinverbindlichkeitserklärung als definitiv nicht geeignetes Instrument zur Stärkung der Tarifbindung gesehen.